#salutdaniel

Heute, am Samstag, den 29.10.2016, um 15:00 Uhr, werden nahezu bundesweit Polizeifahrzeuge mit Trauerflor und eingeschaltetem Blaulicht am Straßenrand stehen. Die Beamtinnen und Beamten gedenken damit ihres Kollegen Daniel E., der am 20. Oktober bei einem Schusswechsel mit einem so genannten „Reichsbürger“ tödlich verletzt wurde, und der in diesen Minuten beigesetzt wird.

 

Mitten in Bayern.
Vier Menschen werden durch einen Angriff politisch motivierter, rechter Gewalt verletzt.
Einer davon bezahlt mit seinem Leben.

 

Man hört keine Aufschreie. Es finden keine Mahnwachen statt, keine Protestkundgebungen. Wo sonst tausende duch die Straßen ziehen würden, passiert – nichts?
Oder doch. Tausende ziehen durch die Straßen. Tag für Tag. Bestenfalls ignoriert. Meist jedoch angefeindet, beschimpft, nicht selten angegriffen. Der Mord an Polizeihauptmeister Daniel E. hat es in die Medien und damit zu einem gewissen Grad ins öffentliche Bewusstsein geschafft, weil er unter besonders spektakulären Umständen verübt wurde. Wer sich mit der Materie auseinandersetzt, weiß aber auch um die alltägliche Gewalt, gesamtgesellschaftlich, und gerade auch gegen Polizeibeamte. Eine alltägliche Gewalt, die gerne verschwiegen wird, auch deshalb, weil sie sich medial nicht wirklich gut in Szene setzen lässt.

Tausende ziehen durch die Straßen. Tag für Tag. Heute halten sie einen Moment inne.

Soweit es die Einsatzsituation zulässt. Denn das Leben geht weiter, es geht auch in seinen unschönen Aspekten weiter, auch heute um 15:00 Uhr werden Polizeieinsätze stattfinden, auch heute werden Polizeibeamte in gefährliche Situationen geraten, möglicherweise bewaffneten Straftätern gegenüberstehen.

Geradezu zynisch, seit Monaten will ich für meine Zeitschrift schon einen Artikel zum Thema „Reichsbürger“ schreiben, hatte nur auf eine passende Gelegenheit gewartet. Nun hat sich diese Gelegenheit auf eine traurige Art ergeben. Hochgradig zynisch, aus dem Kreis meiner Kollegen regt sich Widerstand gegen mein Vorhaben. Aus einigen Stimmen spricht die blanke Angst. Weil „man sich damit rechtsextremen Ärger aufhalsen könnte“, wie es wörtlich im Sitzungsprotokoll steht. Ein anderer Kollege gibt aber auch zu bedenken, dass Menschen mit dunkler Hautfarbe, dass Menschen mit Behinderung, das Menschen, die aus irgendwelchen Gründen nicht in das Weltbild gewaltbereiter, politischer Wirrköpfe passen, jeden Tag mit dieser Gefahr auf die Straße gehen. Was keiner ausspricht: das gilt auch für Polizeibeamte. Was auch deshalb keiner ausspricht, weil es eben nicht nur die durch gesellschaftlichen Konsens geächteten Rechten sind, die gerade Polizeibeamten mit einer solchen Einstellung begegnen.

Heute erscheint auch die November-Ausgabe meiner Zeitschrift, darin ein Artikel eines befreundeten, mittlweile pensionierten Polizeibeamten über unsere zehnjährige dienstliche Zusammenarbeit. Zehn Jahre, in denen ich viel gelernt habe, in denen sich meine Sichtweise auf Polizeiarbeit verändert hat. Jahre, in denen sich mir Gelegenheiten geboten haben und in denen ich diese Gelegenheiten auch ergriffen habe, nicht nur über die technischen Aspekte dieser Arbeit zu berichten, sondern auch die Menschen kennenzulernen, die mir gegenübersaßen. In all ihrer Menschlichkeit, in all ihren Sorgen und Ängsten. Die Angst, eines Tages von einem Einsatz nicht mehr zurückzukehren, ist immer mit dabei.
Deshalb hat der feige Mord an Daniel E. gerade auch mich betroffen gemacht. Weil er einer von „meinen Leuten“ war. Einer von denen, von denen ich so viel lernen konnte. Einer von denen, deren Welt ich möglicherweise ein klein wenig besser verstehe, als so mancher Normalbürger. Als so mancher meiner Kollegen.

Aus zutiefst persönlichen Gründen kann ich heute um 15:00 Uhr nicht selbst dabei sein. Ein mir sehr nahestehender Mensch braucht in einer schwierigen Lebenssituation meine Hilfe, und ich bin gerne bereit, sie zu leisten. Denn auch mein, auch unser Leben geht weiter, gerade auch in seinen unschönen Aspekten.
Sonst wäre ich heute Nachmittag auf der Straße, um einen Respekt und um meine Anteilnahme zu bekunden, als einer von hoffentlich vielen, vermutlich aber nur wenigen Zivilisten.
Statt dessen tue ich das, was ich am Besten kann, und schreibe. Dass dieser Text keine Chance hat, in der Printausgabe meiner Zeitung zu erscheinen, macht mich einen Moment lang wütend. Aber letztlich mache ich dann das, was wir alle machen, ich schlucke die Wut hinunter und tue die Arbeit, die getan werden muss.

 


Der Landespolizeidekan Monsignore Andreas Simbeck stelle mir freundlichweise diese Fotos von der Gedenkminute am Odeonsplatz in München zur Verfügung.
Vielen Dank!


Bundesweite Schweigeminute der Polizei für den im Einsatz verstorbenen Polizeibeamten Daniel E. heute, 29. Oktober, um 15.00 Uhr
Die Polizistinnen und Polizisten haben ein würdiges Zeichen der Solidarität und der Verbundenheit gesetzt.
Der Bayerische Landespolizeidekan Msgr. Andreas Simbeck (links) und der Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für die Kath. Polizeiseelsorge der Länder und des Bundes, Weihbischof Wolfgang Bischof, nahmen am Münchner Odeonsplatz ebenfalls teil.
Im Gebet verbunden!

 

 


 

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