Erschienen in : Donaustrudl Stadt der Zukunft
Nr. 227, Februar 2018

 

Regensburg Anno 2038


O.T. Blick in die Vergangenheit

Erster Mai 2038. Stille liegt über Regensburg.
Aber nicht mehr lange, denn bald ist 16:00 Uhr, und mit dem Inkrafttreten der Ausgangssperre für Spaßbremsen beginnt die Partypflicht für alle Vollbürger. Wollen wir die Zeit nutzen, und einen Blick auf die aktuelle Situation werfen.

Die Stadt ist umgeben von einem Ring aus 42 Fussballstadien, die alle „Joachim-Wolbergs-Gedächtnis-Arena“ heißen. Darüber hinaus hat der Kulturbeirat im Jahr 2025 beschlossen, dass es nicht mehr Stadien heißt, sondern Stadiums. Die Duden-Redaktion und der Verband deutscher Schriftsteller haben daraufhin aus Protest ihre Mitglieder aus Regensburg abgezogen.

Jedes zweite Haus in der Innenstadt ist ein Kulturzentrum, jedes andere zweite Haus ein Club oder eine Cocktailbar. Wohnbevölkerung gibt es im Stadtzentrum nicht mehr, in den Obergeschossen der Häuser befinden sich statt dessen Ferienwohnungen. Seit Mitte der zwanziger Jahre wurden die Einwohner sukzessive abgesiedelt und teilweise vorübergehend in den Fussballstadiums interniert.
Dank des Sturmtiefs „Wudhild“, das im Frühjahr 2030 sehr selektiv nur nördlich der Donau wütete und dabei Stadtamhof und Steinweg dem Erdboden gleich gemacht hat, konnte dort die neue Großwohnanlage „Seifroh“ mit 280.000 Wohnungen errichtet werden, davon 100.000 Studentenappartements und 70.000 Ferienwohnungen.
Im Zuge der Neubebauung wurde die Steinerne Brücke gesprengt und durch eine in den USA gebraucht erworbene, billige Kopie ersetzt.

Möglich wurde dies alles erst 2024 durch die Fusion praktisch aller Parteien und Wählergruppen zur Demokratischen Konsens Partei DKP. Die DKP stellt aktuell 297 Ratsmitglieder_/*Innen im zwischenzeitlich auf 300 Sitze angewachsenen Stadtrat, mit der AfD, die außerhalb jeglichen demokratischen Konses steht, als einzig verbliebener Oppositionspartei.

#feridwbusl (sprich Häschtägferidwubusel – „Für ein Regensburg, in dem wir bunt und sozial leben“, hervorgegangen aus dem großen Verschlagwortungskontest von 2026), das offizielle Parteimotto, das am 1.5.2027 zum ersten Zehnjahresplan verkündet wurde, prangt seitdem von jedem Kulturzentrum (aber auch von manch' ausgewählter Cocktailbar und der einen oder anderen besonders schicken Ferienwohnung), sowie in siebeneinhalb Meter hohen, nachts von innen beleuchteten Buchstaben auf den Winzerer Höhen.

2028 hat der Stadtrat für das Gebiet von Regensburg die Abschaffung der Polizei beschlossen, wodurch erstmals seit Menschengedenken die Verbrechensrate auf Null gesenkt werden konnte. In den ehemaligen Dienstgebäuden entstanden Youth Hostels und Ferienwohnungen.

2033 wird die Innenstadt für bewohnerfrei erklärt. Die DKP feiert unter dem Motto „33-27=10“ die vorzeitige Erfüllung des Zehnjahresplans. Mit der Verordnung über „Die Wiederherstellung der Freiheit der wirklich freien Presse von der Fresse, Presse“ wird der Donaustrudl einiziges in der Stadt zugelassenes Medium und zugleich Zentralorgan der DKP. Um diese Herausforderung bewältigen zu können, erfolgt wenige Monate danach der Umzug in die neuen Räumlichkeiten des Redaktionsgebäudes in der Neuen Waag am Haidplatz.

Zur Verbesserung der Lebensqualität in der Innenstadt und Förderung der studentischen Spaßkultur tritt ab August 2036 eine Ausgangssperre für Spaßbremsen zwischen 16:00 Uhr und 12:00 Uhr in Kraft.

Anlässlich des ursprünglichen Zieljahres des Zehnjahresplans 2037 beschließt die DKP einstimmig, über die Stadtgrenzen Regensburgs hinaus tätig zu werden. In allen bayerischen Städten entstehen in den nächsten Monaten zusätzliche Fussballstadiums und Ferienwohnungen.
Spaßbremsen können nach der neuen Gesetzeslage ab sofort in einem vereinfachten Verfahren wesentlich schneller abgeschoben werden.
Regensburg ist Fussball- sowie Fussballstadiumsbauweltmeister.
Kurz vor dem Jahreswechsel umfasst das Stadtgebiet Regensburgs bereits ganz Bayern, große Teile Baden-Württembergs sowie Vorarlberg.

Im Februar 2038 („heute“) hat sich, zwanzig Jahre nach den ersten zarten Anfängen, die Idee des #feridwbusl durchgesetzt. Mit dem Inkrafttreten des EUREGINT-Abkommens tritt die Europäische Union dem Stadtgebiet Regensburgs bei. Der Rest des Planeten versinkt in Anomie.
Die Alpen und Norditalien bis nach Verona sind überdeckelt und eine einzige, riesige Ferienwohnung.
Der Donaustrudl, mit 280.000.000 Exemplaren auflagenstärkste Zeitung der Welt, verkündet das Ende der Geschichte und die Übernahme der Weltherrschaft durch die DKP innerhalb der nächsten vierzehn Tage.

Die letzte amtlich registrierte Spaßbremse hat sich kurz vor Weihnachten am „s“ des großen #feridwbusl-Schriftzuges erhängt.

 

 


 

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