Ein schwuler Freund von mir hat einen Tag nach dem Massaker von Orlando eine denkwürdige Frage auf seiner Facebook-Pinnwand gepostet. Nämlich, wo sie denn blieben, die „Je suis gay“ - Bekundungen, und die Profilbilder mit den Regenbogenflaggen. „Recht hat er!“, dachte ich mir, habe mein Profilbild entsprechend gestaltet und gleichzeitig eine Challenge gestartet, wer von meinem Facebook-Freunden es mir gleichtun wolle. Auch wenn ich die eine oder andere höchst erfreuliche, persönliche Respektsbekundung erhalten habe, getraut hat sich dann letztlich doch keiner.
„Das kann nicht sein“, geht es mir durch den Kopf, denn immerhin denke ich politisch korrekt, und wie jedem von uns, so sitzt auch mir ein gewisser sensationslüsterner Persönlichkeitsanteil auf der Schulter, und wenn der dann noch mit Stift, Zettel und Presseausweis einherschreitet, was liegt da näher, als mich für diese Donaustrudl-Ausgabe mit dem Thema „Gewalt gegen Homosexuelle“ zu beschäftigen.
Ich wende mich zunächst an die zuständigen Behörden und steuere eine Presseanfrage an die Polizei aus. Prompt erhalte ich Rückruf aus dem Präsidium. Die Antwort fällt eindeutig aus. Zum einen heißt es, dass es keine spezielle Statistik über Straftaten mit homophobem Hintergrund gebe, man müsste vielmehr alle Fallakten einzeln noch einmal durchforsten und entsprechend bewerten. Zum anderen, dass entsprechend motivierte Gewalt, sei es gegen Personen oder Sachen, bei der Polizei kein spezielles Thema darstelle. Auch von radikaler Seite, sei es von Rechts oder aus islamistischen Reihen, habe man keine speziellen oder gar strafrechtlich relevanten homophoben Aktionen auf dem Schirm.
Ich weise während des Gespräches darauf hin, dass die Betroffenen das vermutlich anders sehen und ich mich um eine entsprechende zweite Meinung bemühen werde. Wenn dem so sei, bekomme ich zur Antwort, stehe das Polizeipräsidium natürlich gerne für weitere Gespräche zur Verfügung.
Mit diesem Hintergrundwissen wende ich mich an RESI e.V., die „Regensburger Schwulen- und Lesbeninitiative – Verein gegen die Diskriminierung von Homosexualität“. Und ein paar Tage später sitze ich dann an der Quelle meiner erhofften Erkenntnis, den Räumlichkeiten der RESI in der Blaue-Lilien-Gasse. Hinter der Theke ein Exilniederbayer wie ich, wir unterhalten uns über die alte Heimat, klassische Musik und darüber, wie es sich denn so lebt, als Schwuler in Regensburg. Kurz nach mir betritt ein junger Mann das Vereinslokal, auf der Suche nach Beratung, wie ich später mit halbem Ohr mitbekomme, denn auch das bietet die RESI an. Und dann kommt er auch schon, Martin Preis, Vorsitzender des Vereins und für heute mein Gesprächspartner.
Er kann meine vorherigen Informationen – zum Glück – bestätigen. Von körperlichen Attacken auf Schwule in Regensburg weiß er nichts zu berichten. Zwar kenne man auch bei der RESI schwulenfeindliche Parolen, Hakenkreuzschmierereien, anonyme Anrufe mit Beschimpfungen und Drohungen, aber das liege alles schon längere Zeit zurück.
Zum Glück, möchte man sagen, auch, wenn der metaphorische Sensationsreporter mit Profilneurose eine beleidigte Schnute zieht.
Aber ganz so heile Welt ist es dann eben doch nicht.
Von strukturellen Benachteiligungen höre ich. Wohnungssuche sei oft immer noch ein Problem. So mancher Eigentümer will keine schwulen Mieter in seiner Wohnung. Ich höre die Geschichte von dem schwulen und dem lesbischen Paar, die gemeinsame Kinder hatten und von den anderen Mietern buchstäblich aus dem Haus geekelt worden sind.
Das Beratungsangebot der RESI werde viel genutzt; gerade auch von Menschen mit Migrationshintergrund. Anders, als ich vermutet habe, stehen dabei weniger Migranten aus dem islamischen Kulturraum im Vordergrund. Hauptsächlich Menschen aus Osteuropa, aus dem ehemaligen Jugoslawien, Russland, der Ukraine, aus einem also traditionell eher materialistisch bis christlich geprägten kulturellen Umfeld finden sich ein, die mit ihrer sexuellen Orientierung bei ihren Landsleuten immer noch auf Unverständnis stoßen.
An der Wand hängt ein Zettel mit den noch verbleibenden Terminen der Vorbereitungstreffen für den diesjährigen Christopher Street Day, darunter der Hinweis: „Der CSD soll politischer werden.“ Dabei soll es hauptsächlich um Fragen in Sachen Ehe bzw. Kinder gehen.
Es bleibt also noch manches zu tun. Und Diskriminierung beginnt nicht erst bei der Brachialgewalt. Ein Fazit will ich nicht ziehen, denn das würde einen Schlussstrich bedeuten, und der ist nicht angebracht. Ich habe bei RESI e.V. ein sympathisches Klima und gute Gesprächspartner vorgefunden, und auch wenn ich die Hauptzugangsvoraussetzung nicht erfülle, werde ich doch an dem Thema und an dem Verein dran bleiben. Das nächste, was ich mir vorgenommen habe, ist ein Nachbericht über den diesjährigen CSD.
Es geht also weiter.