Foto : Zinnecker |
In so manch großer Brauerei läuft der Brauprozess heutzutage so ab, dass am Computer das Bier des Tages zusammengeklickt wird, anschließend klickt jemand auf Start, und in der Halle laufen vollautomatisch die Maschinen an. Der Braumeister hat nur noch überwachende Funktion, Bier brauen, ursprünglich ein Handwerk, wird zum industriellen Fabrikationsprozess. Wem das gefällt, dem mag es gefallen, mir gefällt der Gegenpol dazu besser, die Craft Bier Bewegung, die seit einiger Zeit an Fahrt gewinnt.
Und um gleich zu Beginn den Begriff zu klären, er kommt, ebenso wie die Idee, aus den Vereinigten Staaten. Dort war sie auch bitter notwenig. Ein geläufiger US-Witz besagt: „What do American Beer and sex on a boat have in common?“ „It's both fucking close to water.“ „Craft“, das ist Englisch für „Handwerk“, und darum geht es, Bier wieder handwerklich zu brauen. Bier, das in kleinen und kleinsten Chargen, liebevoll von Hand gebraut, mit ausgewählten Qualitätszutaten hergestellt wird. Nicht für einen großen Markt, sondern für den Connaisseur, und vom Connaisseur.
Wer damit aber Rückwärtsgewandtheit verbindet, liegt falsch. Craft Bier, das ist die Domäne der Bierrebellen. Ein Basisbierbrauen, möchte man sagen. Gegen den Strich, und oft auch gegen die gesetzlichen Schranken des Reinheitsgebotes. Mit das Exotischste, was ich in diese Richtung je getrunken habe ist die vom Kölner Sebastian Sauer (merken Sie sich, liebe angehende Craft Bier Freunde, diesen Namen, er wird sie verfolgen!) kreierte Atlantis-Gose, in den Niederlanden eingebraut, unter Zugabe von Seetang und Austernschalen. Als ich davon zum ersten Mal gehört habe, erging es mir genau so wie gerade wohl den meisten einer Leserinnen und Leser. Als ich das Bier zum ersten Mal verkosten durfte, landete es sofort ganz oben auf der Liste meiner Lieblingsbiere.
Aber man muss gar nicht so weit schweifen, um auf Perlen der Braukunst zu stoßen. In Riedenburg, in der Nittenau, im Regensburger Katharinenspital, oder auch bei Kreativbrauern wie dem Lappersdorfer Volker Hartl entstehen Biere, die in ihrer Vielfalt über den deutschbierigen Einheitsbrei hinausragen.
Wenn man Braumeister fragt, wieviele Bierstile es weltweit gebe, erhält man als Antwort stets etwas wie „Bestimmt um die Hundertfünfzig, und jeden Tag werden's mehr.“ Seien Sie ehrlich, liebe Leserin, lieber Leser, wieviel davon kennen Sie? Helles, Dunkles, Weißbier, Pils. Das wird an deutschen Theken und in deutschen Wohnzimmern konsumiert. Und damit haben Sie gerade vielleicht mal zwei Prozent dessen aufgezählt, was auf unserem Globus an unterschiedlichen Bieren gebraut wird.
Dem abzuhelfen ist ein weiterer Revoluzzer in Sachen Genusskultur angetreten. Aus der deutschen Craft Bier Szene nicht mehr wegzudenken ist der Regensburger Peter „Pit“ Krause. Ein ehemaliger Kommilitone von mir, der mir, als wir uns vor einigen Jahren zufällig wiedergetroffen haben, die wunderbare Welt des Craft Biers eröffnet hat. Craft Bier, das bedeutet vor allem auch entschleunigtes Trinken, bei dem der Genuss Vorrang vor dem Konsum hat. „Slowdrink.de“ heißt entsprechend auch das Label, unter dem Pit Krause seine Biertastings anbietet. Und das ganze übrigens als Nonprofit-Veranstaltung, aus Überzeugung und aus Freude an der Sache. In kleinen Gruppen von 15-20 Personen tritt man dann die geführten Expeditionen ins Bierreich an.
Aber es geht auch eine Nummer größer.
Als im Mai der erste Teil des unvermeidlichen Großzuschüttevents namens Dult seine feuchtfröhlichen Urstände feierte, öffnete im Herzen der Altstadt eine gänzlich andere Veranstaltung ihre Zapfhähne. Durchaus bewußt parallel zu den Regensburger Großsauftagen, um nicht zu sagen in Abgrenzung, wurde das erste Regensburger Craft Bier Festival eröffnet, veranstaltet von lautlicht – Raab & Schwenke GbR in Gemeinschaft mit den ehrenamtlichen Partnern Slowdrink.de & WUNDERBAR. Und während sich auf dem Dultplatz massenweis' die Maßen leerten, wurde auf dem Haidplatz Klasse gelehrt.
So mancher Laufkundschaft war die Verwunderung anzusehen, dass Bier hier nicht halbliter- oder literweise ausgeschenkt wurde, sondern jeweils nur 0,1 Liter. Ebenso wie darüber, dass es Leute wie zum Beispiel den Berichterstatter gibt, die an dem, was so mancher stramme Dultbesucher wohl kaum anders denn als Noagerl identifizert hätte, auch mal in kleinsten Schlucken zehn Minuten lang hintrinken und dabei von einem Verzückungszustand in den nächsthöheren verfallen können. Kein Wunder, denn Ziel der Aktion ist ja gerade nicht, sich zu betrinken, sondern, wie es im Veranstaltungsprogramm so schön heißt, „neue Biere aus Bayern und der Welt“ kennen, schmecken und würdigen zu lernen. Der Maßkrug stört da nur.
Um so erfreulicher, dass man so manchen der zuvor Erstaunten einige Zeit später selbst mit dem offiziellen Festival-Glas in der Hand von einem Stand zum nächsten pilgern sah, um das Kredenzte mit dem neu erworbenen Fachwissen auf optische, olfaktorische und letztlich gustatorische Qualität hin zu prüfen. Übersetzt heißt das, das Bier zuerst zu betrachten, ausführlich daran zu riechen, bevor man es schließlich verkostet; etwas, was wohl die wenigsten bisher bei ihren bevorzugten Bieren jemals getan haben.
Am Ende des Festivals habe ich nachgerechnet. Ich habe in den drei Tagen etwa vierzig verschiedene Biere verkostet, und dabei insgesamt wohl weniger Bier getrunken als so manch einer an einem einzigen Abend auf der Dult. Da braucht es auch nicht zu überraschen, dass ehrenamtlicher Mitorganisator und Gastronom Johann „Goose“ Schreiber mit kaum verholenem Stolz verkündet, das wohl erste Bierfest in der Geschichte Regensburgs mitveranstaltet zu haben, bei dem es keine Alkoholleichen zu beklagen gab. In seiner "WUNDERBAR" ist er das Experiment eingegangen, ein ständig wechselndes und mittlerweile sehr umfangreich gewordenes Sortiment an Craft Bier darzureichen. Und das Experiment hat sich gelohnt, die „WUNDERBAR“ kann mittlerweile als führender gastronomischer Anbieter dieser exklusiven Biersparte gelten.
Gegenüber dem Mehrheitskonsum der Laufkundschaft bleibt Craft Bier tatsächlich exklusiv, und so mancher Enthusiast sieht das auch gar nicht so negativ. Denn eine Eigenschaft haben diese Biere, die sowohl ich als auch manch anderer schon am eigenen Leib erfahren durfte: Wer Craft Bier trinkt, trinkt weniger. Qualität und Geschmack der Biere machen es möglich. Wer Bier nicht mehr konsumiert, sondern genießen kann, braucht einfach weniger, auch deshalb, weil das, was früher der Alkohol bewirkt hat, jetzt von den Endorphinen übernommen wird. Da trinkt man dann einen halben Abend an ein kleines Bier hin, und den anderen halben Abend an ein zweites, anderes, und dann geht man nach Hause, glücklich und nüchtern.
Das macht Craft Bier auch zum idealen Feierabendbier. Und das führt mich und jeden, der sein Glaserl im heimischen Ambiente genießen will, zu einer weiteren nicht mehr wegzudenkenden Institution.
Schräg gegenüber des Brücktores lachen den Vorbeigehenden aus den Schaufenstern Flaschen an, wie sie der durchschnittliche Biertrinker wohl nicht so schnell zu Gesicht bekommt. Was dort auf den Namen „birretta – feinste Biere“ hört, ist ein Geschäft für Biere. Wohlgemerkt, Biere, und nicht Bier. Die Verwendung des Plurals als Kollektivum würde der Vielfalt und der Individualität des Angebotes nicht gerecht. Oder anders gesagt, nirgends sonst wird auf den ersten Blick so klar, daß Bier nicht gleich Bier ist wie in diesem Laden. Und wer von meinen Ausführungen, von einer Einweisung durch Goose oder einer Unterweisung durch Pit noch immer nicht ganz überzeugt ist, der findet hier kompetente Beratung, vor Ort, am Objekt, und mit der unverkennbaren Freude an der Sache, die alle Freunde des feinen Bieres auszeichnet.
Natürlich ist ein Laden wie „birretta“, betrieben von Martin und Caroline Hoff, Martin Schwenke und Thomas Raab, die auch das Festival mitorganisiert haben, ein Experiment, ist zu einem gewissen Grad Wagnis, wenn man es sich in den Kopf gesetzt hat, die Bedürfnisse nur einer Minderheit zu bedienen und die Spezialitäten, die auf dem Craft Bier Festival vorgestellt wurden auch für die interessierten Regensburgerinnen und Regensburger zugänglich zu machen. Aus Gründen, die ich, wie ich denke, genug erläutert habe, ist es mir ein Bedürfnis, dieses Wagnis zu unterstützen. Und wer immer noch zweifelt, dem kann ich versichern, die Preisgestaltung ist sozial, so dass auch mein kleiner Geldbeutel sich auf das Abenteuer Biergenuss der besonderen Art einlassen kann.
Mir würde es gefallen, wenn ich einige meiner Leserinnen und Leser überzeugen konnte. Vielleicht sehen wir uns demnächst auf ein Bier, und wenn auch – um einen Filmklassiker zu zitieren – nur einen winzigen Schluck.
Und wer noch Lust und Zeit erübrigen kann, das nächste Craft Bier Tasting mit Pit Krause findet am 24. Oktober in der
WUNDERBAR statt.
Mehr Infos und Kontakt via Slowdrink.de