Erschienen in : Donaustrudl Reichtumsbericht
2010
Michael Lerchenberg ist schuld! Der hat es in seiner umstrittenen Fastenpredigt ja schon angekündigt, statt einem Heizkostenzuschuss gibt es dann zwei warme Pullover von Sarrazins Winterhilfswerk, und der ach so konsternierte Herr Westerwelle – Sie erinnern sich, Guido Westerwelle, a priori Bundesaußenminister, jetzt Hobbysozialpolitiker – hat die Anregung prompt mitgenommen, und so steht seit einiger Zeit als Sparmaßnahme die Streichung des Heizkostenzuschusses für Wohngeldempfänger im Raum. Und unsereiner mutmaßt dann sogleich, in welcher Form diese Maßnahme in das Dokument einfließen wird, daß auf den offiziellen Namen Lebenslagen in Deutschland – Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung hört und das wir umgangssprachlich den Armutsbericht nennen.
Und jeder Bericht ist auch ein Zeugnis, und so wird aus dem erstmals von der schröder'schen Regierungskoalition vorgelegten Armutsbericht automatisch auch ein Armutszeugnis, und zuallererst auch für die hochamtlichen Aussteller selber, so sollte man meinen. Aber weit gefehlt! Die beste Möglichkeit, jemanden mundtot zu machen besteht – wie ich in einem vorausgehenden DS-Heft schon erläutert habe – darin, ihm einen Preis zu verleihen. Und wenn Altkanzler Schröder dereinst davon sprach, er habe es sich als Ziel seiner Regierung gesetzt, die Armut zu bekämpfen, dann liegt nun natürlich der Verdacht nahe, daß der Armutsbericht genau dies bezwecken soll, man nehme die Armut, kategorisiere sie, packe sie in einen Bericht und zwischen zwei Buchdeckel und bringe sie damit in eine Form, in der man sie getrost ad acta legen kann. Und dann braucht sich von den Betroffenen auch niemand zu beschweren, man tue ja etwas, immerhin habe man schon einen Bericht verfasst.
Der zuvor erwähnte Herr Westerwelle ist da schon etwas ehrlicher, Keine Leistung ohne Gegenleistung, so wurde er kürzlich im Interview zitiert, und das heißt dann natürlich, daß ihr Armutsberichteten für die Almosen, die wir euch nach Abzug des x-ten Rettungsschirmes gnadenhalber zukommen lassen gefälligst auch schön dankbar sein und vorher brav bitte und hinterher ebenso brav danke sagen sollt, und wir hoffen auch, daß ihr alle brav eure Gedichtchen auswendig gelernt habt, dann bekommt ihr vom Onkel Guidolaus und seiner Rauschgoldangela (zuständig wäre ja eigentlich die Rauschgoldursula, aber die kann ned, muß Internet surfen...) auch Apfel, Nuss und Mandelkern, aber immer jeweils nur eines, zwecks dem Apfelnussundmandelkernabstandsgebot, und weil überhaupt muß sich ja Gedichtchenauswendiglernen wieder lohnen und so ... [Nebenbei eingeschoben: Wenn man den Rettungsschirm umdreht wird übrigens eine Hängematte draus, aber eben keine soziale. Eher das Gegenteil.]
Sehr christlich ist eine solche Einstellung natürlich nicht, zumindest wenn man als Maßstab die Forderung eines gewissen Herren anlegt, der meine, daß beim Geben von Almosen die Linke nicht wissen solle, was die Rechte tut. Dabei – und darin liegt vermutlich das Problem – sprach er aber nur von Händen und hat somit trotz vorgeblicher Gottessohnschaft und damit verbundener Allwissenheit das Phänomen Deutscher Bundestag geradezu sträflich außer Acht gelassen. Andererseits war es der gleiche Herr, der seine Gefolgschaft bei anderer Gelegenheit darauf hingewiesen hat, daß sie die Armen ganz im Gegensatz zu seiner Person immer bei sich hätten, woraus man zumindest in der Theorie schließen kann, daß man den Armen eben gerade so viel Almosen zugestehen soll, um sie physisch am Leben zu erhalten, darüber hinaus gehende Schritte zur Verringerung oder gar Ausrottung von Armut würden dem Willen Gottes widersprechen und wären somit Teufelswerk.
Aber ich will ja nicht immer nur jammern, das bringt erstens nichts und wird, zumindest oberhalb eines gewissen Intelligenzniveaus, auch sehr schnell langweilig, ich möchte Sie statt dessen bitten, die Berichte Berichte sein zu lassen und Ihnen einen Vorschlag machen, wie Sie ganz konkret Not lindern und Armut bekämpfen können. Gehen Sie zu Ihrem Lieblings-Hartz-IV-Empfänger (Was, sie haben noch keinen? Dann wird es aber Zeit! Lungern Sie doch mal in der Nähe der Ausgabestelle der Tafel rum, da findet man immer welche. Und bei der Gelegenheit können Sie auch gleich ein paar Lebensmittelspenden abgeben.) oder gerne auch zu Ihrem Lieblings-Geringverdiener und schenken Sie ihm oder ihr Geld. Oder wenn Sie ihren Liebling nicht in Versuchung führen wollen (denn das Geld müsste er/sie eigentlich angeben und bekäme es dann hintenrum wieder abgezogen), kaufen Sie ihm/ihr etwas Schönes, machen Sie ihm/ihr ein Fresspaket zurecht, es gibt so viele Arten, auf die Sie Ihren relativen Wohlstand teilen können. Und gerade wenn Sie jetzt meinen, daß Sie ja selbst so arm dran sind und es sich nicht leisten können, andere zu beschenken sollten Sie darüber nachdenken, es doch zu tun. Denn wie heißt es im Englischen so schön, misery loves company, und das bedeutet hinreichend frei übersetzt, daß Sie immer arm bleiben werden, wenn Sie sich arm fühlen. Und bitte trennen Sie sich auch von der Einschränkung, nur unverschuldet in Not Geratenen helfen zu wollen. Denn wie ich schon einmal in einem anderen DS-Heft erläutert habe, die Not ist für jeden gleich, ob sie nun schuldhaft herbeigeführt wurde oder nicht. Oder darf ich dies kurz an einem Beispiel illustrieren ... stellen Sie sich vor, Sie stürzen auf der Skipiste, werden schwer verletzt, Rettungssanitäter bemühen sich, Sie ins Krankenhaus zu bringen, und dort verweigert Ihnen dann der zuständige Arzt die Behandlung mit der Begründung, Sie seien ja selber schuld, warum müssen Sie auch einen so gefährlichen Sport ausüben. Sehen Sie ...
Ich möchte Ihnen eine andere Einschränkung mit auf den Weg geben. Wenn es Ihnen gedankliche Schwierigkeiten bereitet zu geben, wenn es für Sie ein Opfer darstellt, oder wenn Sie sich gar auf eine Art Kuhhandel einlassen wollen und doch eine Form von Gegenleistung erwarten, dann lassen Sie es bitte ganz sein. Sämtliche Esoteriker, angefangen vom blumenpflückenden Öko-Hippie bis zum Hardcore-Schwarzmagier werden Ihnen bestätigen daß wer würdig sein will, zu empfangen zuallererst einmal würdig sein muß, zu geben. Und dieses würdig sein bedeutet eben gerade, daß wer nur gibt, um hinterher eine Gegenleistung zu bekommen mit seinem Gegenüber nicht in einem menschlichen, sondern in einem rein geschäftlichen Verhältnis steht. Wenn Sie das so wollen, wenn Sie ihre Mitmenschen also als reine Geschäftspartner betrachten, dann ist Ihnen das natürlich freigestellt, und dann sind Sie auch in der Welt des Herrn Westerwelle gut aufgehoben. Aber denken Sie dabei bitte auch an die alte esoterische Grundregel, daß alles, was von Ihnen ausgeht dreifach auf Sie zurückfällt, nicht nur das, was Sie geben, sondern auch das, was Sie verweigern, und vor allem auch die Einstellung, mit der Sie etwas geben oder verweigern. Und um Ihnen zum Nachdenken darüber eine kleine Hilfe bereitzustellen darf ich Ihnen noch eine Rätselfrage mitgeben. Wenn im Armutszeugnis eines Menschen lauter Sechsen stehen, ist das dann gut oder schlecht?
Auf Ihre Rückmeldung freue ich mich wie immer an info@donaustrudl.de