18. April 2015
unveröffentlicht

 

TTIP, und warum ich nicht dazugehöre

Ich gebe es zum wiederholten Male offen zu, mein Engagement eine bessere Welt betreffend lässt heute mal wieder recht zu wünschen übrig. Heute findet, keine Minute Fußweg von mir entfernt, auf dem Regensburger Neupfarrplatz der Aktionstag gegen TTIP statt, und ich habe mich entschieden, nicht hinzugehen.
Das liegt zum einen daran, dass ich gar nicht so genau weiß, worum es eigentlich geht. Und das wiederum liegt daran, dass ich mich in letzter Zeit sehr viel mit anderen Themen beschäftigt habe. Amoklagen, sexuelle Übergriffe, Neurobiologie, Kindheitstraumata, Rentenansprüche, der Neubebauung des Domagk-Geländes und andere Punkte, die den oberpfälzer Provinzjournalisten zwischen zwei Halben so umtreiben. Da ist TTIP irgendwie ins Hintertreffen geraten.
Wenn ich in meinem Bekanntenkreis so rumfrage, was TTIP eigentlich ist, erhalte ich zur Auskunft, das sei das neue Freihandelsabkommen. Auf die Nachfrage, was das denn beinhalte, ernte ich dann verstörte Gesichtsausdrücke und typisch bairische Antworten wie „Ja mei, des woas i iatz' aa ned so genau...“ Und weil ich ein furchtbar böser Mensch bin, kann ich es nicht lassen, dann auch noch nachzufragen, warum ich denn dann bitteschön dagegen demonstrieren soll. Das verärgert meine Gesprächspartner für gewöhnlich etwas und bringt mir Antworten ein wie „Weil das halt so ist.“ oder „Weil man das eben so macht.“ Und das verärgert mich dann, denn vielleicht mag es ja meinem mittlerweile nicht mehr ganz so jugendlichem Alter geschuldet sein, aber eine Meinung zu vertreten oder etwas zu tun weil das nun mal so ist oder weil man das nun mal so macht, das ist mir zu dumm.

Der einzige weitere Grund, zu der Anti-TTIP-Demo zu gehen hört auf den Namen LISA, und das ist kein Freihandelsabkommen, sondern meine neue Kollegin, die heute vermutlich auch dort sein wird. Und um der angemessen gegenübertreten zu können, müsste ich mich vorher noch entsprechend aufhübschen, aber dafür fehlt mir gerade sowohl die nötige Feinmotorik als auch der Nerv, und das liegt am BIER, einem alkoholischen Getränk, das ich gestern in nicht geringer Menge konsumiert habe. Begründung dafür lieferte das Ultimate Beer Tasting, eine hochkarätige Bierprobe, veranstaltet von einem ehemaligen Kommilitonen, mit einem exklusiven Lineup aus aller Welt. Aber all diese edle Begrifflichkeit ändert nichts daran, dass ich gestern 18 verschiedene Biere durcheinander getrunken habe und dass es dabei völlig normal ist, sich am nächsten Morgen zu fühlen, als wäre man mit einem Güterzug kollidiert. Aber zurück zum Thema.

Ich will also nicht gegen etwas demonstrieren, von dem ich nicht so wirklich weiß, worum es geht. Nicht, dass es mir dann wieder so ergeht wie neulich, als ich eigentlich zur Kundgebung der schwulen, veganen Feministen gegen eine Teilnahme Wladimir Putins am G7-Gipfel wollte und statt dessen bei der Eröffnung des neuen russischen Feinkostladens gelandet bin, mit dessen Inhaber Wassilij ich seitdem befreundet bin. Der ist schwul und vegan, und erstaunlicherweise war weder das eine noch das andere Grund dafür, dass er Russland verlassen hat. Und was TTIP bedeutet konnte er mir auch nicht erklären.
Außerdem bin ich weder schwul noch vegan. Und Feminist auch nur so ein bisschen, und das hauptsächlich wegen Lisa, weil die im Nebenfach nämlich Gender Issues studiert. Und damit bin ich an sich nun schon gar kein richtiger Feminist mehr, und werde deshalb auch nicht zur TTIP-Demo gehen. Denn an einer Demonstration teilzunehmen, nur um eine Frau zu beeindrucken, das ist, als würde ich zu Aldi gehen nur der netten Kassiererin wegen. Der Einkauf wird dabei zur Nebensache, ja fast schon entwertet. Und deshalb wäre ich dann auch gar kein richtiger Demonstrationsteilnehmer, sondern einfach nur Mitläufer, nur eine Zahl für die Statistik. Und ein Posten in einer Rechnung zu sein, das ist mir dann irgendwie unangenehm.
Andererseits, wenn ich so an meine Jugend zurückdenke war das auch der Grund, warum wir damals alle zur Antifa gelaufen sind. Natürlich war und bin ich gegen Nazis, und wenn man von Mama und Papa alimentiert wird, kann man es sich auch leisten, das Großkapital jetzt irgendwie nicht so toll zu finden, aber der Hauptgrund hieß für mich damals Sanne und war, nebenbei bemerkt, auch die Frau, die mich entjungfert hat. Dass das auch alles schon wieder sexistisch ist wussten wir damals beide nicht, aber zumindest verdanke ich es der Passauer Antifa, nicht ungevögelt sterben zu müssen.

Jedenfalls, während Lisa vorne am Neupfarrplatz gerade voll Inbrunst demonstriert und ich mich gerade etwas darüber ärgere, dass mich der Demolärm bei der Arbeit stört (Arbeit – auch so etwas, was manche Menschen vom Demonstrieren abhält), bleibe ich diesen Samstagnachmittag lieber zu Hause und backe dann noch einen Kuchen für meine lieben Nachbarn vom Stockwerk über mir. Die haben mich für den letzten Kuchen nämlich mit einer feinen Flasche Wein entschädigt. Und wenn ich meine Weinversorgung auf diese Basis stellen kann, brauche ich nicht mehr so oft zu Aldi. Dann sehe ich zwar die nette Kassiererin nicht mehr so häufig, aber das muss ich dann auch nicht, weil es nämlich, richtig geraten, ja Lisa gibt. Und mit der gehe ich dann nächste Woche passend aufgehübscht auf ein schwul-veganes Frühstück zu Wassilij, ein paar Gender Issues diskutieren!

 

 

Wassilij und sein Laden sind leider Erfindungen von mir, was ich ehrlich bedauere, weil ich denke, dass ein veganer, ein russischer oder gar ein veganer, russischer Feinkostladen in Regensburg nötiger wäre als noch eine Event Location. Die erwähnten Beer Tastings gibt es allerdings wirklich, ebenso wie den ehemaligen Kommilitonen. Wer sich dafür und für Feinkost in ihrer eher flüssigen Form interessiert, darf gerne einmal bei Pit Krause auf der Seite www.slowdrink.de vorbeischauen, und vielleicht sehen wir uns dann beim nächsten Tasting. Oder beim Craft Beer Festival, das vom 13.-15. Mai stattfindet, ebenfalls auf dem Haidplatz. Prost!

 

Auweh ...
Der Feminismus ist tot, erfahre ich gerade. Na wenn das mal keinen Ärger gibt. Das Wie und Warum ist dann im Blog der ebenfalls real existierenden Lisa nachzulesen.
Viel Spaß dabei!

 

 


 

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