erschienen in : Donaustrudl Sexualität
Nr. 182, Mai 2014

 

Wie legal ist nackt? -- Illegale Pornographie

Ein früher Fall von Pornographie? Noch Anfang des 19. Jahrhunderts wurde der Maler Francisco de Goya vor die spanische Inquisition zitiert, Stein des Anstoßes war sein Bild "Die nackte Schöne", von der er sich in der Folge genötigt sah, auch eine bekleidete Version anzufertigen. Bis heute hängt das, was landläufig unter dem Begriff Pornographie verstanden wird, sehr vom Standpunkt des jeweiligen Betrachters ab. Über die juristische Auslegung des Begriffes hatte ich Gelegenheit, mich mit Erstem Kriminalhauptkommissar Stefan Halder, dem Leiter des unter anderem für Sexualdelikte zuständigen Kommissariats 1 der Kripo Regensburg zu unterhalten.

Nach geltender bundesdeutscher Rechtsauffassung würde Goyas "Schöne" nicht die Kriterien erfüllen, um als Pornographie zu gelten. Die sehen nämlich vor, dass dafür die Darstellung des Sexuellen im Vordergrund stehen muss, oder wie es in einer seitdem regelmäßig zitierten Feststellung des OLG Düsseldorf aus dem Jahr 1974 heißt: "grobe Darstellungen des Sexuellen, die in einer den Sexualtrieb aufstachelnden Weise den Menschen zum bloßen, auswechselbaren Objekt geschlechtlicher Begierde degradieren." Dass sich dabei Kunst und Pornographie nicht völlig gegeneinander abgrenzen lassen und sich auch nicht gegenseitig ausschließen, stellte 16 Jahre später das BVG in seiner sogenannten Mutzenbacher-Entscheidung fest, wonach der namensgebende Roman eben beides sei, Kunst und Pornographie.

An dieser Stelle wird schon deutlich: Pornographie ist in Deutschland, solange sie nicht in andere Rechtsgüter eingreift, grundsätzlich legal. Was gesetzlichen Beschränkungen unterliegt ist der Zugang zu Pornographie für Minderjährige, die Verbreitung bestimmter Arten von Pornographie, und im Falle von Kinder- und Jugendpornographie auch deren Besitz.

Um es kurz und pointiert auf einen Satz zu bringen: Normaler Sex ist legal. Und solange sichergestellt ist, dass die Weitergabe entsprechender Darstellungen nicht öffentlich und nur unter Erwachsenen geschieht, steht der auch nichts im Wege. Die einzige Ausnahme ist im Rahmen des elterlichen Erziehungsauftrages gegeben. Ein Vater, der mit seinem siebzehnjährigen Sohn in diesem Sinn ein Pornoheft durchblättert, handelt nicht strafbar, jeder andere schon.
Der §184a StGB regelt den Umgang mit gewalt- oder tierpornographischen Darstellungen. Die darf man zwar besitzen, aber nicht verbreiten. Die §§184b und 184c verbieten Verbreitung, Erwerb und Besitz kinder- und jugendpornographischer Schriften. Interessant ist, dass sich diese Regelungen zuerst nur auf Kinder bis zum 13. Lebensjahr bezogen, erst seit 31.10.2008 sind auch pornographische Darstellungen von bzw. mit Jugendlichen in das Verbot mit einbezogen.

Soweit die Theorie, die in diesem Fall nicht wirklich grau ist. Aber wie sieht die - gerade auch polizeiliche - Praxis aus?

Ein Punkt, auf den das Gespräch immer wieder kommt, ist die Medienkompetenz von Schülerinnen und Schülern, vor allem wenn es um die Verbreitung pornographischen Materials von Minderjährigen an andere Minderjährige geht, was erstaunlich häufig und mit kaum vorhandenem Unrechtsbewusstsein vonstatten geht.
Ein praxisnahes Beispiel: Ein Jugendlicher fotografiert seinen erigierten Penis und schickt das Foto auf das Handy seiner ebenfalls minderjährigen Freundin.Unabhängig davon, ob die Empfängerin dies wünscht oder nicht, oder ob es ihr gefällt oder nicht, es handelt sich dabei um eine Verbreitung von Pornographie im Sinne des Gesetzes. Die beste Prävention diesbezüglich sei das Erwerben eben von Medienkompetenz und die Sensibilisierung gerade auch Minderjähriger dem Thema gegenüber.
Unter das Thema Umgang mit Medien fällt dabei auch der Umgang mit dem Internet, ein geradezu klassisches Beispiel für den Vertrieb von Pornographie, ebenso wie für die damit verbundenen Vorurteile. Selbstverständlich ist pornographisches Material über das Internet zugänglich und ein wirksamer Schutz von Jugendlichen nicht zu gewährleisten, weil einfach nicht festgestellt werden kann, ob der, der den "Ich bin über 18"-Button anklickt auch tatsächlich volljährig ist. Das gelegentlich immer noch gern geschürte Bild vom Internet als sprudelnder Quell allerlei Illegalen ist allerdings, ganz im Sinne der zitierten Medienkompetenz, etwas korrekturbedürftig.

Wer sich früher einschlägiges Material beschaffen wollte, musste dazu das Haus verlassen, eine gewisse Wegstrecke zurücklegen, womöglich noch darauf achten, nicht von Nachbarn, Kollegen etc. beim Betreten des Sex-Shops beobachtet zu werden, um dann anschließend mit der sprichwörtlichen "neutralen Verpackung" den Heimweg anzutreten. All dies ist heutzutage bequem und anonym vom Schreibtisch aus möglich. Der Zugang zu Pornographie wird dadurch spürbar erleichtert, ebenso fällt die soziale Kontrolle weitestgehend weg. Dadurch sinken natürlich auch Hemmungen. Dabei auf illegales, z.B. kinderpornographisches Material zu stoßen, ist rein aus Zufall nicht möglich. Wer auf solche Darstellungen aus ist, muss schon gezielt danach suchen, und die entsprechenden Konsumenten wissen auch, wie und wo sie suchen müssen. Online-Tauschbörsen spielen dabei eine gewisse, wenn auch nur untergeordnete Rolle. Kontaktaufnahme und Austausch finden meist in geschlossenen Foren statt, die für Außenstehende nicht ohne weiteres zugänglich sind, abgerechnet wird dann per Kreditkarte. An dieser Stelle steht der umstrittene Begriff der Vorratsdatenspeicherung im Raum. Aus polizeilicher Sicht ist die derzeit gültige Frist von sieben Tagen für die Speicherung von IP-Adressen zu kurz. Die Ermittlungsarbeiten einschließlich des Verwaltungsvorlaufs, der nötig ist, um überhaupt Zugang zu den entsprechenden Daten zu erlangen, dauern meist länger, so dass die Verbreitung illegaler Pornographie oft nicht mehr eindeutig einer Person zugeordnet werden kann.
Je zeitnäher eine Ermittlung begonnen werden kann, um so mehr Erfolg ist ihr dementsprechend beschieden. Dennoch bleibt die Dunkelziffer hoch.
Einen klassischen Tätertypus gibt es dabei nicht. Personen, die beruflich mit Kindern zu tun haben, spielen eine gewisse Rolle, auch Angehörige des Klerus, im Wesentlichen geben die Konsumenten von Kinderpornographie jedoch einen Querschnitt durch alle gesellschaftlichen Schichten wieder.

Bleibt noch die Frage, wie man als Mensch damit umgeht, wenn man beruflich regelmäßig mit Sexualdelikten befasst ist. Die Arbeit geht an den Beamtinnen und Beamten nicht spurlos vorbei. Ich erfahre davon, wie einem beim Sichten von Beweismaterial buchstäblich schlecht werden kann. Ich erfahre auch, wie wichtig Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen sind, und auch der Rückhalt aus dem sozialen und familiären Umfeld. Der polizeiliche Sozialdienst vor Ort und ein psychologischer Dienst in München gewährleisten Supervision bei belastenden Fällen. Auch eine vernünftige Freizeitgestaltung ist wichtig. Am Tatort, so höre ich, läuft man wie ein Uhrwerk, die emotionale Aufarbeitung findet dann nach Dienstschluss statt. Da ist es dann z.B. auch hilfreich, einmal 20 km zu laufen, um die notwendige Klarheit und Distanz zu gewinnen.

Sexualdelikte bleiben ein Thema, das nicht totgeschwiegen werden darf, und deshalb werden sie auch weiterhin für den Donaustrudl und für mich ein wichtiges Thema sein. Um einen Satz aus dem polizeilichen Sprachgebrauch zu zitieren: Es wird nachberichtet.

 

 


 

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