vorgesehen für : Donaustrudl Natur
Nr. 145, Mai 2011
nicht veröffentlicht
Nachdem die Reaktion auf meinen im März 2011 veröffentlichten Artikel Tennessee Eisenberg - vom zähen Nachleben eines Mythos durchweg positiv ausgefallen sind sah sich mein Redaktionskollege Konrad Remold dennoch veranlasst, unter der Prämisse, einen intellektuellen Diskurs führen zu wollen eine Gegendarstellung unter dem Titel Etwas mehr Nachdenklichkeit und Zweifel wären angebracht zu verfassen. Der vorliegende Text war als Reaktion darauf gedacht und wurde von der Redaktion mit knapper Mehrheit von 4:3 Stimmen abgelehnt.
Ich habe tatsächlich nochmal über den Artikel "Etwas mehr Nachdenklichkeit und Zweifel wären angebracht" aus der April-Ausgabe des Donaustrudl nachgedacht, daraus ergaben sich für mich noch einige Fragen sowie verwirrende Schlussfolgerungen.
Zunächst stelle ich mir die Frage, was ich nach Meinung des Kommentators hätte tun sollen, um den Wahrheitsgehalt meiner — übrigens aus erster Hand stammender — Quellen zu überprüfen, bzw. was er getan hat, um den Wahrheitsgehalt der seinigen zu überprüfen? Wie definiert sich der verwendete Begriff "unzulässige Schüsse", und bedeutet eine Quote von 20% solcher unzulässiger Schüsse nicht im Umkehrschluß 80% zulässige Schüsse?
Basierend auf dem in genanntem Artikel vorgelegten Zahlenmaterial ergibt sich ein Schnitt von fünf jährlich durch Schüsse aus Polizeiwaffen ums Leben gekommene Menschen. Vergleicht man dies mit den angegebenen Werten für zulässige bzw. unzulässige Schüsse, folgt daraus genau eine "unzulässige Tötung", die damit tatsächlich zum Einzelfall wird. Die 80% zulässiger Schüsse korrelieren übrigens sehr gut mit den monierten 80% Freisprüchen und Einstellungen, so dass hier ein Widerspruch konstruiert wurde, der keiner ist.
Zwar konnte ich des zitierten Buches von Clemens Lorei kurzfristig nicht mehr habhaft werden, aus meiner eigenen Erfahrung heraus, wie auch aus dem direkten Vergleich der in besagtem Artikel festgestellten fünf Toten durch Polizeischüsse mit der Gesamtbevölkerung von 81,7 Millionen, und bestärkt durch Informationen, die mir diesmal tatsächlich aus zweiter Hand zugetragen wurden wage ich zu vermuten, dass das Zitat, wonach "der fortgeschrittene Schusswaffeneinsatz […] aufgrund seiner Häufigkeit schon im Bereich der Routine angesetzt werden muss" verfälschend wiedergegeben bzw. Prof. Lorei hier aus dem Zusammenhang gerissen zitiert wird.
Entgegen einer verbreiteten Meinung sind Polizeibeamte nicht legibus exemptis, sie sind Menschen wie alle anderen auch und deshalb ermitteln gegen sie auch die gleichen Stellen wie gegen alle anderen Menschen, nämlich Polizei und Staatsanwaltschaft. Die Schaffung einer Stelle, die nur gegen Polizeibeamte ermittelt wäre — und hier gestatte ich mir, eigene Meinung vorzutragen — erst recht ein Schritt in die Richtung des herbeizitierten Polizeistaates, denn auch einer solchen Stelle könnte und würde man sicher auch ohne weiteres Voreingenommenheit unterstellen.
Dass in der Sache Tennessee Eisenberg auch weiterhin ein großes Interesse in der Bevölkerung vorhanden ist zeigt sich nicht zuletzt in der hohen Zahl der positiven Leserrückmeldungen, die auf meinen Artikel eingetroffen sind, erneut komme ich jedoch zu dem Schluss, dass in jener Sache auch weiterhin der tragische Tod eines jungen Menschen für politische Meinungsmache missbraucht wird.
Um Antwort wird gebeten, gerne auch aus dem Kreis unserer Leserinnen und Leser an info@donaustrudl.de